Messdatenerfassung im Labor

Kurzfassung: Im heutigen Labor sieht sich der Anwender mit einer Vielzahl elektronischer Messeinrichtungen konfrontiert, ohne die viele moderne Verfahren gar nicht vorstellbar sind. Mit diesen Möglichkeiten entstand aber auch eine umfangreiche Palette potentieller Fehlerquellen, zu deren Vermeidung auch für den Laboranwender bestimmte Grundkenntnisse der elektronischen Signalverarbeitung erforderlich werden. Besonders wichtig ist dies natürlich dann, wenn verschiedene Geräte zu einer übergeordneten Messeinrichtung kombiniert werden (z.B. HPLC), aber auch bei "schlüsselfertigen" Geräten können unerwartete Schwierigkeiten auftreten. Neben diesen Gesichtspunkten werden auch spezielle Aspekte der heute im Labor bereits dominierenden digitalen Messtechnik besprochen.


Von Analog nach Digital

In nahezu allen Messeinrichtungen - auch im analytischen Labor - werden Parameter in analoger Form gemessen und schließlich mit mehr oder weniger Zwischenschritten in eine digitale Form übergeführt. Auch wenn für die meisten Lesern dies nichts Neues darstellt, soll dennoch in kurzer Form das Wesen analoger bzw. digitaler Daten wiederholt werden:

Analog:

Analoge Daten können jeden beliebigen Wert (eventuell innerhalb bestimmter naturgegebener Grenzen) annehmen; die meisten physikalischen oder chemischen Parameter gehören diesem Typ an, so z.B. pH-Wert, Temperatur, Konzentrationen, Mengen etc.

Digital:

Digitale Daten hingegen sind an bestimmte vorgegebene Werte gebunden und können keinen Wert dazwischen annehmen. Ein typisches Beispiel ist jede Form ziffernmäßiger Darstellung von Zahlen mit einer gegebenen Zahl von Nachkommastellen.

Wie bereits hier klar werden dürfte, sind nahezu alle im Labor entstehenden Messwerte zunächst analoger Natur und müssen spätestens zum Zeitpunkt der Aufzeichnung oder Interpretation in digitaler Form vorliegen. Aus diesem Grund besitzt die Umwandlung von analogen in digitale Daten entscheidende Bedeutung für alle Messungen, nicht nur im Labor.

Die sogenannte Analog-Digital-Wandlung ("A/D conversion") fand vor der Einführung der Digitaltechnik ausschließlich durch den Beobachter statt, der z.B. durch Vergleich der Quecksilbersäule eines Thermometers mit den Zahlenwerten der Skala einen ziffernmäßigen Wert ermittelte. Die Kenngrößen "Auflösung" (auf wieviele Dezimalstellen kann das Ergebnis abgelesen werden) und "Genauigkeit", die auch in der elektronischen A/D-Wandlung entscheidende Parameter darstellen, sind bereits hier relevant. Auch bei analogen Messinstrumenten (z.B. Drehspulanzeigen), die heute noch einige Verbreitung besitzen, erfolgt die Wandlung durch den Betrachter.

Seit der Entwicklung der elektronischen Digital- und Computertechnik wird die Analog-Digital-Wandlung aber immer mehr ohne menschliches Zutun ausgeführt, was neben der Zeitersparnis auch den Vorteil besserer Reproduzierbarkeit besitzt. Unter Reproduzierbarkeit wird hier nur verstanden, dass die Genauigkeit der Messung nicht etwa von der Sehschärfe des Betrachters etc. abhängt, über die Qualität der Messung an sich soll hier noch keine Aussage getroffen werden.

Schematisch kann die Analog-Digital-Wandlung durch den Beobachter (oben) oder durch die Elektronik im Messgerät (unten) folgendermaßen dargestellt werden:

A/D-Wandlung


Die Wandlung

Nach diesen grundsätzlichen Betrachtungen wollen wir uns den Lauf der Informationen in einem typischen Messgerät etwas konkreter vergegenständlichen: Die physikalischen Messgrößen werden so gut wie immer zunächst in eine elektrische Spannung oder einen Strom umgewandelt (die untereinander nach dem Ohm'schen Gesetz durch einen definierten Widerstand in Beziehung stehen). Nach einer eventuell notwendigen Verstärkung oder Vorbearbeitung (z.B. Thermoelemente, die Spannungen von nur wenigen Millivolt liefern) erfolgt zumeist als zentrales Element die bereits erwähnte Analog-Digital-Wandlung.

Dazu existieren mehrere Verfahren, die sich vor allem in den Kenngrößen "Auflösung", "Geschwindigkeit", "Genauigkeit" und natürlich auch den Kosten unterscheiden. Ohne in diesem Rahmen näher auf die technische Ausführung eingehen zu wollen, seien doch die im Labor wichtigsten Techniken namentlich erwähnt; es handelt sich hier um das Dual-Slope- Verfahren und die Methode der sukzessiven Approximation.

Mit "Geschwindigkeit" (meist als "Samplingrate" bezeichnet) wird angegeben, wieviele einzelne Analog-Digital-Wandlungen pro Sekunde ausgeführt werden können bzw. wielange eine einzelne Messung dauert. Bei den zuvor erwähnten Wandlertypen sind hier meist Werte zwischen 10 und 100.000 Messungen pro Sekunde zu nennen.

Die "Auflösung" sagt aus, wieviele verschiedene Messresultate der Wandler innerhalb seines definierten Eingangsbereichs liefern kann und wird in bit angegeben. Ein 16-bit-A/D-Wandler mit einem Eingangsspannungsbereich von 0 - 10 Volt besitzt demzufolge 65536 (216) Möglichkeiten, deren Abstand daher 10 V/65536 = 0,15 Millivolt beträgt. Selbstverständlich sind Wandler mit höherer bei sonst gleichen Eigenschaften solchen mit niedriger Auflösung vorzuziehen. Daneben darf aber nicht vergessen werden, dass eine höhere Auflösung nur dann sinnvoll ist, wenn die Elektronik auch garantiert, dass das Eingangssignal nicht deutlich stärker als die Schrittweite verfälscht wird. Dies wird meist in Form der "Linearität" angegeben (maximale Abweichung von der Idealgerade). Als Beispiel dafür, dass eine höhere Auflösung durch fehlende Genauigkeit zunichtegemacht wird, kann eine Stoppuhr mit Auflösung von 1/100 Sekunden erwähnt werden, wobei durch die manuelle Betätigung diese Genauigkeit niemals erreicht wird.

Sobald der Messwert nun in digitaler Form vorliegt, kann er elektronisch gespeichert, für weitere Berechnungen verwendet werden etc. Besonders dann, wenn die Information an einen entfernten Ort übertragen werden soll, ist die digitale Form bezüglich Übertragungsfehlern wesentlich sicherer und wird daher für solche Aufgaben meist eingesetzt.


Messinstrument oder Würfelspiel ?

Wie erwähnt, ist nach der A/D-Wandlung der digitale Wert unter "normalen" Bedingungen kaum mehr Beeinflussungen oder Verfälschungen unterworfen (bei besonders unsicheren Bedingungen wie bei Übertragung über Telefonleitung oder Funk können jedenfalls automatische Fehlererkennungs- und -korrekturverfahren eingesetzt werden). Demgegenüber ist der analoge Teil der Signalverarbeitung erheblichen Fehlermöglichkeiten ausgesetzt, auf die daher im folgenden einzugehen ist.

Die drei wichtigsten Bereiche, in denen Fehler auftreten können, sind Messwertentstehung, -übertragung sowie die Analog-Digital-Wandlung. Auf den ersten Bereich kann hier nicht näher eingegangen werden, da dies spezifisch für das jeweilige Messverfahren ist. Die daraus resultierenden Fehler werden im allgemeinen vom Hersteller des Messgerätes beschrieben, da sie auch bei sonst optimalen Bedingungen die Genauigkeit und Richtigkeit der Resultate einschränken (z.B. Rauschen eines Detektors). Die anderen beiden Bereiche liegen aber voll in der Einflusssphäre des Anwenders, sobald er mehr als ein Gerät (egal ob vom selben Hersteller oder nicht) kombiniert. Kombinierte Lösungen besitzen im Labor immerhin recht erhebliche Bedeutung (Chromatographie, z.T. Spektroskopie, kinetische Messungen, Steuerung und Regelung etc.).

In der Messwertübertragung (einschließlich Signalvorverarbeitung wie Verstärkung, Abschwächung etc.) besteht eine Reihe von potentiellen Fehlerquellen, die sowohl zufällige Streuung der Ergebnisse als auch systematische Abweichungen bewirken können (letztere können durchaus lange Zeit unbemerkt bleiben). Hier wäre zunächst die Möglichkeit der Rückwirkung ungeeigneter Messverfahren auf die Messgröße zu erwähnen, z.B. wenn eine pH-Elektrode, die naturbedingt nur sehr geringe Ströme liefern kann, mit einem niederohmigen Verstärker verbunden wird und daher praktisch kurzgeschlossen wird. Diese Art Fehler ist jedoch bei ordnungsgemäß installierten Messeinrichtungen selten.

Wesentlich häufiger treten Probleme mit Störeinstreuungen auf. Diese werden meist durch kapazitive (elektrische Felder) oder induktive (Magnetfelder) Kopplung verursacht und sind besonders häufig in der Nähe von Elektromotoren, Leuchtstoffröhren, aber auch Netzspannung führenden Leitungen. Besonders bei der Weiterleitung des Signals über Kabel tritt dieses Problem auf (z.B. wenn Messfühler und Auswertungseinheit getrennt sind, wie es bei vielen Geräten im Labor auftritt). Meist äußern sich die Einstreuungen in Form von Wechselspannungen mit der Netzfrequenz (50 bzw. 60 Hertz), während statistische Schwankungen seitens des Messfühlers im allgemeinen als Rauschen auftreten. Je niedriger das Spannungsniveau des gewünschten Nutzsignals (Messwert) ist, desto stärker wirken sich naturgemäß die Störeinstreuungen aus.

Damit zeichnet sich bereits ein möglicher Lösungsansatz gegenüber Störsignalen ab: Die Signalspannung sollte hoch im Verhältnis zur erwarteten Störspannung sein; aus diesem Grund ist ein Messgerät mit einen Spannungsausgang von 0-1 oder 0-10 Volt den noch immer weitverbreiteten Schreiberausgängen von 0-10 mV vorzuziehen. Bei hohem Störpegel (oder sehr langen Verbindungsleitungen) sind Stromausgänge (z.B. 0-20 oder 4-20 mA) den Spannungsausgängen überlegen.

Die naheliegendste Abhilfe ist natürlich, die Kabelverbindungen zwischen Messfühler und Auswertungseinheit so kurz wie möglich zu halten; leider sind dieser Möglichkeit durch räumliche Gegebenheiten oft Grenzen gesetzt. Gute bis sehr gute Erfolge lassen sich jedoch oft durch Verwendung abgeschirmter (Metallummantelung) Kabelverbindungen erzielen. Noch besser wird die Unterdrückung von Störsignalen, wenn mit symmetrischen Eingängen gearbeitet wird. Darunter ist zu verstehen, dass beide Signalanschlüsse gleichen Eingangswiderstand besitzen und die Spannungen vor der Weiterverarbeitung subtrahiert werden. Auf diese Weise werden die Störsignale, die an beiden Leitungen gleich anliegen, wegsubtrahiert und im optimalen Fall vollständig entfernt.

Bei symmetrischen Eingängen ist jedoch unbedingt zu beachten, dass die Kabelabschirmung nur auf einem Kabelende (Ausgang oder Eingang) angeschlossen werden darf, um sogenannte Erdschleifen (Brummschleifen) zu vermeiden, die schwer zu findende Fehlerquellen darstellen können. Der Unterschied zwischen der asymmetrischen und der technisch aufwendigeren symmetrischen Beschaltung kann wie folgt dargestellt werden:

symmetrische/asymmetrische Eingänge

Vor allem bei sehr kleinen Messsignalen (z.B. Thermoelemente, Elektrokardio- oder -enzephalogramme etc., die oft nur im Mikrovoltbereich liegen) sind die genannten Maßnahmen, also abgeschirmte und symmetrische Eingänge, absolut unvermeidbar. Aber auch höhere Spannungssignale bedürfen derartiger Verfahren, wenn hohe Genauigkeit angestrebt wird.

Bei langsamen Signaländerungen (statische Signale wie pH-Elektroden, aber auch viele Chromatogramme, Spektren etc.) kann auch mit Hilfe von Tiefpassfiltern Abhilfe geschaffen werden. Diese unterdrücken Signale umso stärker, je höher deren Frequenz ist. Auf diese Weise kann das 50 Hz-Störsignal deutlich abgeschwächt werden, während das Nutzsignal kaum beeinflusst wird. Dieser Methode sind aber Grenzen gesetzt, um z.B. einen Peak nicht dadurch wesentlich zu verbreitern, wie im folgenden dargestellt ist.

A/D-Wandlung

Allgemein sollten derartige Maßnahmen nur als letztes Mittel verwendet werden, wenn mit den zuvor genannten Verfahren kein ausreichender Erfolg zu erzielen ist.

Aber auch bei der Analog-Digital-Wandlung können erhebliche Fehler entstehen. Neben den bereits oben erwähnten Kenngrößen Genauigkeit (Linearität) und Auflösung kann auch die Datenerfassungrate (Samplingrate) bei sich schnell ändernden Signalen relevant sein. In der Chromatographie z.B. kann ein Peak nicht mit ausreichender Genauigkeit integriert werden, wenn zuwenige Messpunkte vorliegen, auch wenn die Messgenauigkeit an sich sehr hoch liegt. In der Praxis sind jedoch die bei gängigen Datensystemen verfügbaren Samplingraten bei weitem ausreichend.

Ein größeres, weil ungewohntes Problem bei der A/D-Wandlung kann durch das sogenannte Aliasing entstehen; darunter ist zu verstehen, dass Signalfrequenzen, die über der halben Samplingrate liegen, eine falsche (niedrigere) Frequenz vortäuschen, wie im folgenden Bild gezeigt wird.

Aliasing-Probleme

Auf diese Weise kann ein 50 Hz-Netzbrummen durchaus Teile eines Chromatogramms oder Spektrums vortäuschen. Abhilfe dagegen schafft ein Tiefpassfilter vor dem A/D-Wandler, das alle Frequenzen über der halben Samplingrate so radikal wie möglich entfernt, ohne jedoch das Eingangssignal zu verfälschen (dieses Filter ist in sorgfältig aufgebauten Laborgeräten mit A/D-Wandlung im allgemeinen vorhanden).

Da viele Datenerfassungssysteme mit mehreren Eingangskanälen ausgestattet sind, ist es sinnvoll, den schematischen Aufbau der Systeme kurz zu beschreiben. Der A/D-Wandler stellt zumeist das teuerste Element der Hardware dar; aus diesem Grund wird im allgemeinen nicht für jeden Eingangskanal ein eigener Wandler vorgesehen, sondern die Eingänge werden gemultiplext. Das bedeutet, dass zunächst Kanal 1 zum Wandler durchgeschaltet wird, nach der Messung Kanal 2 aktiviert wird etc., bis alle benötigten Kanäle abgetastet sind und wieder von vorne begonnen wird. Dieses Verfahren ist relativ preisgünstig und kann in allen Fällen eingesetzt werden, in denen die vom A/D-Wandler benötigte Messzeit so kurz ist, dass auch die Messung mehrerer Kanäle die gewünschte Samplingrate je Kanal noch erlaubt. Bei den gängigsten Anwendungen im Labor stellt dieses Kriterium kein Problem dar.

Dieses Multiplexverfahren wird anhand der Datenerfassung im Chromatographie-Datensystem "ATS WinChrom32" sowie in LIME eingesetzt und daher im zweiten Beitrag detaillierter beschrieben.


Zusammenfassung (Checkliste)

Bei Problemen mit der Messwerterfassung, die aus der elektronischen Aufnahme und Verarbeitung resultieren, kann anhand der folgenden Checkliste überprüft werden, ob alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt wurden:

Signalübertragung

  • Wurde ein möglichst hoher Spannungsausgang (oder besser Stromausgang) gewählt ?
  • Wurden kurze, abgeschirmte Kabelverbindungen verwendet und nicht in der Nähe stromführender Leitungen, Motoren, Leuchtstoffröhren etc. verlegt ?
  • Wurden symmetrische Eingänge zur Weiterverarbeitung verwendet ?
  • Wurde (bei symmetrischer Beschaltung) die Kabelabschirmung an einem Ende mit dem Gerät verbunden ?
  • Können Störsignale durch einen Tiefpass abgeschwächt werden, ohne das Nutzsignal zu beeinflussen (Notlösung) ?
Analog/Digital-Wandlung

  • Reichen Auflösung und Genauigkeit (als Linearität angegeben) des A/D-Wandlers für die angestrebte Präzision der Ergebnisse aus ?
  • Bei dynamischen Signalen (Chromatographie, Spektren, Kinetik etc.): Ist eine ausreichende Samplingrate verfügbar, um genügend Datenpunkte zu erfassen ?
  • Wurden höherfrequente Signalanteile durch ein Tiefpassfilter vor dem Wandler entfernt (Anti-Aliasing), um Signalverfälschungen zu vermeiden ?